Die DADA-Exzentrik der Elsa von Freytag-Loringhoven | Barnebys Magazin (2024)

Die spätere "Baroness DADA" erblickt am 12. Juli 1874 als Elsa Hildegard Plötz im preußischen Ostseebad Swinemünde (heute Świnoujście in Polen) das Licht der Welt. Ihr Vater Adolf Julius ist Maurermeister, ihre Mutter Ida-Marie Pianistin. Als Kind wirtschaftlich gut gestellter Eltern besucht Elsa die Höhere Töchterschule in ihrer Geburtsstadt, von wo sie allerdings nur schlechte Noten mit nach Hause bringt. Nebenher verfasst sie erste Gedichte, die bereits einen Hang zum obszönen Humor erkennen lassen.

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Im Alter von 16 Jahren beginnt Elsa ein Studium an der Königlich-Preußischen Kunstschule in Berlin. Unterstützung erhält sie von ihrer Mutter, ihr Vater ist eigentlich dagegen. Die Ehe der Eltern wird zunehmend unglücklich, einen Selbstmordversuch bricht Ida-Marie in letzter Minute ab.

1893 stirbt Ida-Marie an Krebs und Vater Plötz heiratet kurz darauf die bürgerlich-konservative Berta Schulz. Elsa beginnt sich gegen all die aufgezwungenen Wohlanständigkeit zu rebellieren - am liebsten mit wechselnden Affären.

In Berlin taucht Elsa ein in die Welt der Künstler und Varietés: Sie steht Modell, posiert nackt für tableaux vivants und nimmt Schauspielunterricht. Schließlich wird sie Revuegirl im Berliner Central-Theater und steht in Cottbus in Schillers Don Carlos als Marquise de Mondecar auf der Bühne.

Elsa stürzt sich weiterhin in wechselnde Affären mit Malern und Schriftstellern und reist schließlich mit dem aus wohlhabendem Hause stammenden Studenten Richard Schmitz nach Italien, wo sie eineinhalb Jahre bleibt. Zurück in Deutschland studiert sie zunächst Malerei in Dachau und wird die Muse des parareligösen Intellektuellenkreises der Kosmiker in München.

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Zurück in Berlin wird sie zunächst die Geliebte des Jugendstilarchitekten August Endell, den sie im August 1901 heiratet. Auf der Rückfahrt der Hochzeitsreise nach Italien lernt sie den Studenten Felix Greve kennen, der im Jahr darauf von München nach Berlin zieht, wo sich eine ménage à trois zwischen Elsa, Felix und August etabliert. Letzterer ist jedoch nicht glücklich über die Situation und begeht einen Selbstmordversuch. 1904 wird die Ehe von Elsa und August geschieden.

Elsa und Felix, der als Übersetzer arbeitet, leben zunächst in Zürich und Frankreich, wo Felix 1905 den von Elsa inspirierten Roman Fanny Essler schreibt, und kehren 1906 nach Berlin zurück, wo sie ein Jahr später heiraten.

Im Sommer 1909 kommt es erneut zu einem Suizid - dieses Mal jedoch zu einem vorgetäuschten, da Felix auf diese Weise seinen Gläubigern entkommen will. Sein wahres Ziel ist nicht das Jenseits, sondern Amerika. Elsa folgt ihm ein Jahr später. Das Paar lebt in Pittsburgh und Kentucky, ist jedoch nicht mehr glücklich miteinander. 1911 folgt die Trennung, Felix geht nach Kanada, wo er unter dem Namen Frederick Philip Grove lebt, Elsa arbeitet an verschiedenen Orten erneut als Künstlermodell.

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1912 zieht es sie schließlich nach New York City. Hier lernt sie den preußischen Offizierssohn Leopold Baron von Freytag-Loringhoven kennen und wird im Jahr drauf zur Bigamistin, als sie eine Ehe mit ihm eingeht, obwohl sie von Felix Greve nie geschieden wurde. Ehemann Nummer drei ist elf Jahre jünger als Elsa. Elsa fackelt nicht lange und zieht auf dem Papier elf Jahren von ihrem eigentlichen Alter ab. Auf dem Weg zum Standesamt erklärt Elsa ganz nebenbei einen zufällig gefunden Eisenring zum Kunstobjekt und hielt damit vermutlich das erste Ready-made der Kunstgeschichte in Händen.

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Leopold war ebenfalls wegen Schulden aus seiner Heimat geflohen. Um seine Ehre wiederherzustellen, geht er bei Ausbruch des Ersten Weltkrieges zurück, um seinem Land als Soldat zu dienen. Bei dieser Gelegenheit erleichtert er Elsa um ihre gesamten Ersparnisse.

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Elsa ist weit davon entfernt, den Kopf in den Sand zu stecken und arbeitet als Modell und Dichterin und entwirft exzentrische Kostüme, die sie auch selbst auf der Straße spazieren führt, inklusive einem BH aus Tomatenmarkdosen, Gardinenringen, vergoldeten Karotten, schwarz geschminkten Lippen und auf die Wangen geklebte Briefmarken. Bald wird sie in New York als DADA-Baroness bekannt und die New York Times veröffentlicht einen Artikel über sie, in dem Elsa erklärt: "Meine Ausdrucksform ist der Protest gegen alles Konventionelle“.

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Eine Zeit lang wohnt Elsa im selben Haus wie Künstler Marcel Duchamp, der zwar ihre Annäherungsversuche zurückweist, mit ihr aber gerne über Kunst diskutiert. Eines dieser Gespräche hat Elsa Duchamp vermutlich auf Idee eines Urinals als Kunstwerk gebracht, was Duchamp ein Jahr später mit dem Titel Fountain umsetzt und bei der Society of Independent Artists ausstellt. Seiner Schwester schreibt Marcel Duchamp, dass eine Freundin ihn dazu inspiriert habe. Sehr wahrscheinlich handelt es sich dabei um Elsa.

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Elsa veröffentlicht weiterhin Gedichte, die teilweise jedoch so anstößig sind, dass sie der Zensur zum Opfer fallen. Am häufigsten erscheinen die Schriften im Heft New York Dada, das von Duchamp und Man Ray herausgegeben wird. Das Trio dreht auch den – natürlich ebenfalls anstößigen und weitestgehend abgelehnten – Film Elsa, Baroness von Freytag-Loringhoven, ihr Schamhaar rasierend.

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1923 kehrt Elsa New York den Rücken und geht zurück nach Berlin. Sie schlägt sich mit kleineren Jobs durch und ist auf die Unterstützung von Freunden angewiesen, darunter die Schriftstellerin Djuna Barnes und Peggy Guggenheim.

Die letzten zwei Jahre ihres außergewöhnlichen Lebens verbringt Elsa in Paris, wo sie relativ erfolglos eine Schule für Aktmodelle betreibt. Am 15. Dezember 1927 endet schließlich das Leben der "DADA-Baroness" und ihres Lieblingshundes Pinky in ihrer Wohnung in Paris, aufgrund einer defekten Gasleitung.

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